Im Interview spricht er als einer der Top-Referenten darüber, was ein Unternehmen bei der Customer Integration beachten muss und wie sie durch neue Technologien von ihren Kunden lernen können. Damit leiten wir unser Jahresthema 2015 ein und diskutieren im Expertenaustausch mit unseren Dialog- und Projektpartnern, wie durch das Internet of Things gemeinsam mit dem Touchpoint Management effiziente Produktinnovationen sowie marketingorientierte Services entstehen.
doubleSlash: Als Experte für Customer Integration beschäftigen Sie sich täglich damit, wie Unternehmen Kunden richtig und wertschöpfend integrieren können. Was ist Ihre persönliche Definition des Begriffs?
Nils Hafner: „Ich schaue mir an, wie wir den Kunden in Prozesse integrieren können. Das kann einerseits der Verkaufsprozess sein, z.B. durch die Generierung von Weiterempfehlung. Hier hat der Kunde heutzutage eine sehr starke Position. Je besser man die Kunden und ihre Erlebnisse in das Management integriert, desto erfolgreicher wird man sein. Das ist die eine Definition. Die andere bezieht sich auf das Generieren von Informationen durch Einbezug des Kunden in den Innovations- und Serviceprozess. Das ist ein ganz wichtiger Punkt – Stichwort Sales Service oder ‘Kunden helfen Kunden‘. Da gibt es Branchen, wo das relativ gut funktioniert, z.B. Computer Hard- und Software. Aber eben auch welche, die da eher Mühe haben, z.B. Krankenversicherungen. Mit dem Begriff Customer Integration haben wir ein weites Feld aufgetan, das momentan recht modern ist.“
doubleSlash: Würden Sie also sagen, dass sich nicht jede Branche für eine Kundenintegration eignet?
Nils Hafner: „Das hängt ein bisschen von der Kultur ab. In vielen Unternehmen ist es kulturell nicht vorgesehen, den Kunden zu fragen und Prozesse mit dem Kunden zu teilen. Man braucht da schon ein gewisses Maß an Offenheit. Da stehen sich die meisten Unternehmen selbst im Weg.“
doubleSlash: Wir beschäftigen uns mit dem Thema ‚Internet der Dinge‘ als Chance für die Customer Integration. Durch neue Technologien haben Unternehmen heute die Möglichkeit, schnell und einfach Feedback zur Produktnutzung vom Kunden zu bekommen. Glauben Sie, dass vernetzte Technologien einen sinnvollen Beitrag zur Customer Integration leisten können?
Nils Hafner: „Mit Sicherheit. Die Frage ist – wie eigentlich bei jedem Projekt in Richtung Kundenmanagement und Kundenintegration – was der Mehrwert für den Kunden ist. Wir müssen überlegen, welche Informationen unsere Kunden auch als wertvoll betrachten. Das kann sich um rein sachliche Informationen handeln. Es können aber auch sehr emotionale Reaktionen sein, beispielsweise dass das Auto beim Starten im Display des Navigationssystems zeigt, wie der Kunde in seinem Auto aussieht. Man kann da tolle Sachen machen.“
doubleSlash: Sie stimmen also der These zu, dass vernetzten Technologien der Customer Integration einen entscheidenden Vorteil ermöglichen?
Nils Hafner: „Auf jeden Fall. Wir können viel mehr über unseren Kunden lernen, nur muss das natürlich beidseitig auswirken. In den letzten fünf Jahren haben wir bei uns an der Hochschule gelernt, dass Kunden sich über den Wert ihrer Informationen sehr wohl bewusst sind. Und wenn jetzt überall seine Daten gesammelt werden, macht ihn das eher misstrauisch. Er fragt sich: ‘Was ist da eigentlich für mich drin? ‘ Darauf müssen Unternehmen heutzutage ein Antwort haben.“
doubleSlash: Also müssen Unternehmen, die Informationen ihrer Kunden sammeln, fairerweise einen Mehrwert für ihn generieren?
Nils Hafner: „Auf jeden Fall. Ich denke, dass sich Menschen grundsätzlich vor asymmetrischen Machtverhältnissen fürchten. Und es kann einem schon Angst und Bange werden, wenn man sich vorstellt, dass an allen Ecken und Enden – ohne den Kunden darüber zu informieren – Daten gesammelt und entsprechend mit seinem sonstigen Verhalten zusammengeführt werden. Ich glaube, dass ein Erfolgsfaktor darin besteht, offen und transparent zu zeigen, was der Vorteil dieser Datensammlungen ist, z.B. dass der Kunde emotional angesprochen wird. Man muss ihm aber auch die Möglichkeit geben ‘Nein‘ zu sagen.“
doubleSlash: Der Kunde muss also die Wahl haben, ob er überhaupt integriert werden möchte?
Nils Hafner: „Natürlich. Das Ziel ist ja, dass wir nachhaltig profitable Partnerschaften mit unserem Kunden haben. Das, was wir ursprünglich im Kundenbeziehungsmanagement definiert haben, muss das Gesamtziel sein. Die spannende Frage ist, wie man das hinbekommt – vor allem auch die Vertrauenskomponente.“
doubleSlash: Dafür gibt es vermutlich kein Standardrezept. Jedes Unternehmen muss den richtigen Weg für sich selbst finden.
Nils Hafner: „Ja klar. Ich muss mir die richtigen Frage stellen: Was wollen meine Kunden? Ich muss in der Lage sein, sehr systematisch die Bedenken und Vorteile des Kunden zu sammeln. Darauf kann man dann die Customer Integration Strategie ausrichten.“
doubleSlash: Gibt es auch Widerstände, wenn ein Unternehmen sich entscheidet, das Modell der Customer Integration umzusetzen? Wie können diese überwunden werden?
Nils Hafner: „Die Frage ist hier nicht nur, ob der Kunde das will, sondern ob das Unternehmen auch in der Lage ist, die sich daraus ergebene Komplexität zu handzuhaben. Nehmen wir das gern genommene Kühlschrankbeispiel: Wir haben einen vernetzten Kühlschrank. Der meldet automatisch, wann welche Lebensmittel abgelaufen oder nicht mehr vorhanden sind. Da ist ja nicht nur der Kühlschrank derjenige, der für den Mehrwert sorgt, sondern auch der lokale Einzelhändler, Logistikdienstleister und der Kunde, der einen Zugang zu diesem Kühlschrank herstellen muss. Da sind wir schon an drei potenziellen Hindernissen, die aufzeigen wie komplex solche Überlegungen eigentlich sind. Customer Integration hat in der Regel sehr viel mit Netzwerken und dem Management der Netzwerkfähigkeit zu tun. Da haben wir bestimmte Widerstände, oder zumindest Hindernisse, logistischer, intellektueller und auch partnerschaftlicher Art. Also müssen wir vermutlich als Kühlschrankhersteller künftig viel mehr Partnerschaften abschließen, um dem Kunden wirklich den Mehrwert zu liefern, der damit verbunden wird.“
doubleSlash: Wir haben es bereits angesprochen: Für den Kunden ergeben sich zahlreiche Vorteile, wenn er in Prozesse wie die Produktentwicklung oder den Service Circle integriert wird. Welche sind Ihrer Meinung die wichtigsten?
Nils Hafner: „Das ist relativ individuell. Wenn wir beim Kühlschrank bleiben, ist es natürlich die Bequemlichkeit. Beim Auto ist es ein emotionaler Vorteil. Das hängt stark vom Geschäftsmodell ab. Mit den Instrumenten der Kundenintegration ergeben sich gerade in der Zielgruppen-Ansprache vielfältige Vorteile. Dadurch, dass ich mehr Informationen habe, kann ich meine Kundengruppen gezielt angehen und systematisch die Kernfrage beantworten: ‘What´s in for me? ‘ Die muss ich für jede meiner Kundengruppen beantworten können! Wenn ich das nicht kann, ergibt sich daraus automatisch, dass das System, das ich mir überlegt habe, eigentlich keinen Mehrwert hat.“
doubleSlash: Wie geht man an ein solches Customer Integration Konzept heran? Was sind wesentliche Dinge, die beachtet werden müssen? Welche Fragen müssen sich Unternehmen stellen?
Nils Hafner: „Die Kernfrage ist: Was möchte ich über meinen Kundenservice, über meine Produkte oder mein Verkaufsteam in fünf Jahren in der Zeitung lesen – und in welcher? Anhand dieser Frage kann ich dann meine Ideen entwickeln. Es muss ja etwas sein, das wirklich differenziert. Wenn eine Zeitung darüber berichtet, dann muss es erfolgreich sein. Das heißt also Differenzierung und wirtschaftlicher Erfolg sind die Punkte, von denen man ausgehen muss.
Man muss sich aber auch andere Gedanken machen: Was muss ich selber tun? Was kann ich durch ein Netzwerk abbilden oder was können meine Kunden selbst machen? Das heißt, sich die Frage zu stellen, wer liefert welchen Wertvorteil und vor allen Dingen die Kombination von Wertvorteilen? Das ist das, was in der Zukunft die Marktposition ausmacht.“
doubleSlash: Das heißt, der Erfolg von Unternehmen hängt künftig maßgeblich von der Differenzierung ab?
Nils Hafner: „Ja klar. Das ist sicherlich die Voraussetzung, um überhaupt über sowas wie Customer Integration nachzudenken. Es sei denn, es geht nur darum Prozesse billiger zu machen und Service auf Kunden abzuwälzen. Aber das haben wir im Sinne eines ‘Self Service‘ die letzten 15 Jahre genug gesehen und wird ja auch vom Kunden immer weniger toleriert.“